´Respekt ist wichtiger als das System‘

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„Respekt ist wichtiger als System“
ROCKENHAUSEN: Er hat Filme übersetzt, vor einer Kirchengemeinde gepredigt und ist sogar Taxi gefahren. Zeitweise lebte er im Ausland. Am wohlsten fühlt sich Harald Scheve aber in pfälzischen Klassenzimmern. Seit Schuljahresbeginn ist der gebürtige Dortmunder Leiter der Realschule plus. Und hier hat er einiges vor.

Von Lisa Demmerle

„Ich wollte entweder Pilot werden oder Pfarrer“, berichtet der 57-Jährige von seinen ursprünglichen Plänen. Letztendlich hat er nach dem Abitur dann doch Lehramt in seiner westfälischen Heimat studiert. Bereut habe er diese Entscheidung nie, erzählt Scheve im Gespräch mit der RHEINPFALZ. Nicht zuletzt, weil er sich in seinen jungen Jahren in vielen Jobs habe ausprobieren können: Ob er nun Nachhilfe gab, in der Fabrik schuftete oder mit nächtlichen Taxifahrten das nächste Semester finanzierte: „Dort habe ich manchmal mehr mitgenommen als in jedem Studium“, betont der Lehrer für Chemie und evangelische Religion. Und all diese Erfahrungen versuche er heute in seinen Unterricht einfließen zu lassen.Zumal mit seiner damaligen Entscheidung nicht sämtliche Jugendträume passé gewesen seien: So habe er in späteren Jahren mit dem Wörrstadter Pfarrer Koch eine Predigtreihe gestaltet. Auch den Pilotenschein habe er irgendwann gemacht – „der ist mittlerweile aber wieder abgelaufen“.

Für Chemie-Verlag übersetztIn den südwestdeutschen Raum hat es Scheve dann durch sein Referendariat im Saarland verschlagen. Und hier hat ihm ein Zufall eine weitere berufliche Perspektive eröffnet: Weil er spezielle Chemikalien für seine Examenslehrprobe brauchte, schickte ihn sein Fachleiter zu Conatex, einem Lehrmittel-Verlag für Chemie. „Dort hat man mich gefragt, ob ich jemanden kenne, der Übersetzungen macht“, so Scheve.Die Folge: 15 Jahre lang übersetzte er neben seinem Job als Lehrer für das Unternehmen Gebrauchsanleitungen, Newsletter für Pädagogen und sogar Lehrfilme für Biologie, Chemie und Physik ins Französische. Die zwischenzeitlich angebotene Geschäftsführung wollte der Vater eines erwachsenen Sohnes dann doch nicht übernehmen: „Ich bin sehr gerne Lehrer.“ Geblieben ist aber seine Liebe zu Frankreich, im Speziellen zu Paris: Von 1992 bis 1994 lebte und unterrichtete der heutige Wahl-Dannenfelser im Nachbarland.

Heute will Scheve, dessen Frau ebenfalls in der Schulleitung – in Gau-Odernheim – tätig ist, trotz guter Erfahrungen nicht mehr in einer Großstadt unterrichten: „Die Probleme an den Schulen in Großstädten sind verschärfter. Trotzdem gibt es auch hier Themen, die wir angehen müssen“, betont er.

Der Umzug in die Pfalz sei bewusst erfolgt, weil „das Landleben absolute Vorteile bietet – vor allem für Familien“. Voraussetzung sei natürlich, dass die Mobilität gewährleistet sei. Ein großes Plus sieht der Hobbysportler – der zum Joggen oder zum Fahrradfahren gerne um den beziehungsweise auf dem Donnersberg unterwegs ist oder im Silbersee schwimmen geht – in der herrlichen Nordpfälzer Natur.

Mittlerweile kennt sich der 57-Jährige schon gut in seiner neuen Heimat aus. In der Pfalz ist er übrigens nicht zum ersten Mal tätig: Vor seinen Posten in der Schulleitung an der Binger Realschule, in Bad Dürkheim und der kooperativen sowie integrativen Realschule in Wörrstadt hat er bereits von 1995 bis 2000 an der damaligen Realschule Eisenberg gearbeitet.

Dass die Realschule plus in Rockenhausen trotz ihrer kleinen Schüleranzahl nach wie vor beliebt ist, habe er schon alleine an der Konkurrenz um die Stelle des Schulleiters feststellen müssen: Insgesamt vier Anwärter hatten sich im November um die Nachfolge von Rektorin Olga Alve beworben. Damals habe sich die Corona-Krise mit ihren Auswirkungen auf den Schulbetrieb noch nicht abgezeichnet. „Es ist vielleicht mutig, mitten in der Pandemie die Stelle zu wechseln. Aber mutige Entscheidungen haben mich bisher im Leben immer weitergebracht“, sagt Scheve mit Überzeugung.

Lob für neue KollegenNun freut er sich sehr auf die Herausforderung und die Zusammenarbeit mit den neuen Kollegen. Diese hätten ihn „freundlich empfangen. Man merkt, dass das Schulleitungsteam vorher gute Arbeit geleistet hat“, lobt Scheve. Darauf wolle er nun aufbauen, „dabei aber Traditionen wahren“. Das heißt: Es werde einige Neuerungen geben, aber keinen blinden Aktionismus. „Wenn zu viele Änderungen auf einmal kommen, vermittelt man nur das Gefühl, vorher sei alles falsch gelaufen.“ In der Vergangenheit habe er gelernt, dass es weniger auf das System ankomme, in dem man arbeite, als vielmehr auf die respektvolle Zusammenarbeit aller Gremien. Hier habe die Schulform der Realschule plus einen Vorteil: „Wir können in einem kleinen System viel besser pädagogisch auf die Kinder einwirken. Für Rockenhausen wäre es schrecklich, wenn diese traditionelle Schule irgendwann ihre Tore schließen müsste.“Damit das nicht passiert, setzt sich Scheve das Ziel, bald wieder mehr Kinder an der Schule zu begrüßen. Dazu wolle er diese wieder verstärkt ins öffentliche Gespräch bringen, indem er etwa Grundschulen besuche, Veranstaltungen plane und in Kooperation mit Firmen verschiedene Berufsorientierungsmöglichkeiten anbiete. Scheve: „Ich bin der Meinung, wer gute Arbeit leistet, sollte auch darüber sprechen.“

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Eine Schule macht sich auf den Wg…!

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